Dienstag, 10. März 2009

Auch ein paar andere hatten die Idee ...


Vergangenen Sonntag lockte uns das Neue Museum - gänzlich leere Räume wollten besichtigt und photographiert werden. Allein, wir waren nicht die einzigen, die an diesem Novembertag im März ein kostenloses Vergnügen suchten. Die Schlange der Neugierigen reichte beinahe einmal rund um den Lustgarten.


Da wir keine Lust hatten, uns in die Reihe der Wartenden einzureihen, beschlossen wir, statt der geplanten schönen Architektur Menschen auf ihrem Sonntagsausflug einzufangen. Der Spaziergang über den Flohmarkt am Mauerpark eine Woche zuvor hatte soviel Spaß gemacht und wir erhofften uns eine ähnlich reiche Ausbeute. Allerdings wurde es nach einem Morgen mit blauem Himmel immer regnerischer und grauer ... und mehr als Aufnahmen von bunten Regenschirmen wollten mir einfach nicht gelingen.
Langsam geht mir dieses trübe Wetter auf den Geist; es wird Zeit für den Frühling und sein zartes Grün! Auch die Modeindustrie scheint uns im Trüben hängen zu lassen - als sehr farbenfroh sind diese Anoraks, Parker und Mäntel derzeit nicht zu bezeichnen.

Vor dem Bode Museum versteckt gelangen doch noch einige feine Schnappschüsse; meine nassen Füße jedoch mahnten zur Rückkehr.

Daheim stellte sich eine vertraute Frage: volle Bücherregale ... und trotzdem will sich das zur Stimmung passende Buch nur schwer finden lassen. Meine Wahl fiel diesmal auf Dshamilja von Tschingis Aitmatow.
Irgendwo im Tal des Kukureuflusses, im Sommer des dritten Kriegsjahres 1943 hat sie sich abgespielt, die "schönste Liebesgeschichte der Welt" (Louis Aragon). Said, der damals Fünfzehjährige, der nicht wusste, wie Liebe sich zuträgtm erzählt sie mit großem Erstaunen.

Soweit der Klappentext, der wie immer alles und nichts verrät. Zur Liebesgeschichte muss nichts mehr gesagt werden; das hat Louis Aragon bereits treffend formuliert. Gefesselt haben mich die zarten und unschuldigen Farben, mit denen Said das Bild des kleinen Auls vor meinen Augen entstehen lässt. Ganz nebenbei erfährt der Leser auch Einzelheiten aus dem Leben im zentralasiatischen, nordöstlichen Kirgisien und den alltäglichen Sorgen der Bewohner dort in den Anfängen des Sozialismus, die jedoch nur nebensächlich erwähnt werden.
"Hier in diesem hochmütigen Paris, das alles gesehen, alles gelesen, alles erlebt hat, merke ich plötzlich, dass mir Werther, Berenice, Antonius und Kleopatra, Manon Lescaut, die Education sentimentale oder Dominique nichts mehr bedeuten, weil ich Dshamilja gelesen habe" schreibt Louis Aragon in seinem Vorwort.

Auch mit diesen Worten Louis Aragons bin ich vollkommen einverstanden und es ist ihnen nichts weiter hinzuzufügen als dass selbst im regnerischen grauen Berlin mir das Herz aufging und ich in der Tulpe auf meinem Schreibtisch den Frühling erahnte.

Erschienen ist diese Liebesgeschichte als Taschenbuch im suhrkamp-Verlag.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen